Dankesbrief von Bernhard Sparsbrod

Kurz vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde dieser Brief von Bernhard Sparsbrod (*14. Februar 1932; †?) an mehrere Verwandte im "Westen" (s.u.) geschickt. Er drückte darin seine Dankbarkeit gegenüber ihnen aus, die seiner Familie über Jahrzehnte materiall unterstützt hatten. Nur so wäre es Ihnen in der DDR möglich gewesen, ein Leben als selbstbestimmte Christen zu führen.

 

Bernhard Sparsbrod
Kirchweg 16 Stadtroda
DDR 6540

Stadtroda, am 29.9.1990
drei Tage vor der Einheit

Liebe Verwandte, Freunde, Bekannte aus der Bundesrepublik!

In diesen Tagen, den letzten der DDR, und am Abend vor dem Erntedankfest kam mir der Gedanke, eigentlich ist es an der Zeit, endlich allen Dank zu sagen, für die jahrzehntelange, nie nachgelassene Hilfe aus dem "Westen". Bei manchen von Euch waren es 3o-4o (!) Jahre, die Ihr an uns gedacht habt.

Wie viele Pakete sind gepackt worden, wie viel, eingekauft worden: Schicken wir das Richtige? Was brauchen sie wirklich? Was ist notwendig? Was macht Freude? Was wird durchgehen? Was werden "die" rausnehmen? Wird es auch passen? Welche Größen? Soll man getragene Sachen schicken, oder nicht? Ich weiß nicht, welche Gedanken noch gedacht worden sind.

Als Erstes möchte ich Euch schreiben: Danke! Jedes Paket war ein Erlebnis, besonders als die Kinder noch alle zu Hause waren. Das Holen, das Auspacken, das Ansehen, das Probieren, das Verteilen!

Bitte nehmt das Wort "Danke" - nur ein Wort - einfach so hin. Ob es ein Opfer war an Geld, Überlegungen, Zeit, Kraft bei den Älteren oder nicht, wir haben es nie als selbstverständlich genommen. Meine Frau hat immer gesagt, erst wird sich bedankt und dann wird gegessen oder angezogen! Am Wichtigsten waren natürlich die Weihnachtspakete, dann reichte es wieder bis Ostern. Von den Dingen, die unter dem Christbaum lagen, waren 9o% von Euch. Und für die Handwerker und Andere brauchte man ja auch immer etwas. Mein Trabbi ist jahrelang auf diese Weise repariert worden, wenn es keine Ersatzteile gab. Danke auch, daß es oft nicht nur notwendige Dinge waren, sondern auch solche, die das Leben "verschönt" haben.

Und das Zweite: Wir haben es wirklich gebraucht! Ohne Euch und die Hilfe der Kirchen hätten wir kaum so durchhalten können. Als wir 1958 heirateten, bekamen wir 350 Mark Gehalt und mußten noch 50 Mark für das Motorrad abzahlen. Meine Frau bekam jeden Monat für sich 10 Mark von der ganz kleinen Rente ihrer Großmutter geschenkt. Die Eier und die "Schlachtschüssel", wie man in Thüringen sagt, von den Bauern in den ersten Gemeinden und der Tauf-, Hochzeits- oder Leichenschmauskuchen und die Westpakete haben geholfen. Was wir auf dem Leibe hatten, war fast hundertprozentig von "drüben": Entweder gleich passend oder umgeändert, auch immer weitergegeben, untereinander ausgetauscht oder gegen andere Dinge getauscht, verkauft.

Ja, auch verkauft, weil man Geld dafür bekam, das ja immer knapp war. Jetzt kann man es sagen: Vom Kaffeeverkauf (4o M das Pfund) haben wir lange die Kohlen und den Koks bezahlt, die uns 7oo Mark in einem Winter kosteten, das war zuletzt ein Monatsgehalt. Ohne all das hätte meine Frau arbeiten gehen müssen und hätte nicht so viel Zeit und Kraft und Liebe in die vier Kinder stecken können, was, wie wir glauben, sich gelohnt hat.

Und das Dritte: Die lange, lange Zeit, in der das alles geschehen ist. Wenn gute alte Verwandte gestorben sind, die das heute nicht mehr erleben und an die wir heute besonders denken, kamen neue Geber dazu. Die Kette ist nicht abgerissen! Einmal Gutes zu tun, ist sehr leicht, aber über einen so langen nicht absehbaren Zeitraum es durchzuhalten, war schon etwas Großartiges. Ich weiß nicht, ob es das schon einmal gegeben hat. Ob wir es selbst gekonnt hätten? Ich habe von dem Materiellen geredet und tue es auch bewusst, weil es etwas mit dem "täglichen Brot" des Erntedankfestes zu tun hat. Aber natürlich war es nicht nur das Materielle. Es war von Eurer Seite das Denken, die Liebe, sicher auch das Gewissen, das Wissen um das Leben auf der "anderen" 'Seite des "Vorhangs". Aber die Hauptsache war das Tun. "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." (E.Kästner)

Von unserer Seite: Die Freude, die echte Hilfe, das "An - uns - denken", die Gemeinschaft. Ein bisschen auch das Menschliche den Herrschenden gegenüber: Ihr habt die Macht, aber wir die Westpakete, um die es natürlich auch verständlichen Neid gab. Nebenbei gesagt brauchten die Kinder, die ja oft benachteiligt waren und auch die Last des Christseins in der DDR von klein auf mit ertragen haben, wenigstens in der Kleidung nicht hinter den Anderen zurückzustehen. Einem der Kinder waren einmal die neu aufgekommenen Filzstifte in der Schule gestohlen worden, so begehrt war das alles.

Ein Schriftsteller könnte das alles viel schöner sagen. Aber eigentlich steht es schon im Neuen Testament, und wer will, kann es dort nachlesen im 2 .Korintherbrief, Kapitel 9, in den Versen 10-15 (Lesung für das Erntedankfest).

Im Namen von Marianne, Friederike, Maria, Christian und Johannes

Euer Bernhard

 

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